Zur Schwäche politischer Kultur in Freiburg

Ganz abgesehen vom Ausgang des Bürgerbegehrens, das die Bürgerinnen und Bürger Freiburgs gegen die Mehrheit im Gemeinderat entschieden haben: Es gibt wenig Grund, den Bürgerentscheid zu feiern. Dass es das Bürgerbegehren überhaupt gegeben hat, ist kein Zeichen für den Erfolg direkter, bürgernaher Politik, sondern in erster Linie ein Zeichen für das Scheitern städtischer Politik.

Ein Bürgerentscheid ist dann ein wertvolles politisches Instrument, wenn die Positionen weitreichend sachlich ausgetauscht wurden und der Rat der Stadt sich nicht in der Lage sieht, eine schwierige Entscheidung ohne Befragung der Bürgerschaft zu einem Ergebnis zu bringen. Die Schwäche der Politik zeigt sich aber darin, dass diese Auseinandersetzung im Rat gar nicht ausreichend stattgefunden hat - und dass man gezeigt hat, dass das Ohr für die Bürgerschaft nicht offen war.

Gleichwohl ist der Ausgang der Wahl eine große Herausforderung für dk¨nftiges politisches Engagement. Nicht nur zur Haushaltsplanung und zur Stadtentwicklung. Eine ebenso bedeutsame Aufgabe ist es, sich für die politische Kultur, für den Umgang miteinander und die Verfahrensweisen der Entscheidungsfindung einzusetzen. Denn am Beispiel des geplanten Hausverkaufs, der zum Bürgerentscheid führte, ist deutlich geworden, wie es um die Kommunikation im Gemeinderat und die Partizipation der Bevölkerung bestellt ist.

Die Grünen, die sich mit ihrem Oberbürgermeister und in wachsendem Maße in Kooperation mit der CDU auf eine breite Mehrheit im Gemeinderat stützen können, haben sich von ihrer eigenen Tradition entfernt. Die Grünen haben ihre Wurzeln nicht nur in der Umwelt-, sondern auch in der Friedensbewegung und im massiven Eintreten für Bürgerrechte mit den Stichworten direkte Demokratie oder Basisdemokratie, Bürgerpartizipation, Konsensorientierung. Diese Grundsätze grüner Politik sind in Freiburg vergessen worden oder gar ins Gegenteil verkehrt, wenn man eine Mehrheitsentscheidung, die bereits vor der Wahl bekannt war, dadurch ignorieren möchte, dass man hofft und darauf setzt, dass das Quorum nicht erreicht wird. Beim Thema "Verkauf der Stadtbau und der Wohnungen" orientierte sich die grüne Partei allein an der Mehrheit im Gemeinderat und ignorierte nicht nur großzügig alle Gegenpositionen, Warnungen und Alternativen, sondern auch die Befürchtungen und Ängste in der Bevölkerung. Emotionen wurden als Emotionalisierung gedeutet und berechtigte Ängste als polemisches Ängsteschüren.

Ergebnisoffene Aushandlungsprozesse hatten wenig Raum. von allen Seiten wurde betont, wie wichtig die Entscheidung für die Entwicklung der Stadt ist. Während der Flächennutzungsplan aber über mehrere Jahre und mit breiter Bürgerbeteiligung durchgeführt wurde, ist die Entschuldung durch Verkauf der Stadtbau in wenigen Wochen und Ausschusssitzungen abgehandelt worden. Seither wurde von Verwaltung und nicht nur den grünen Verkaufsbefürworter unablässig wiederholt, dass es für die Entscheidung keine Alternative gibt. Dabei mussten sich die Grünen regelmäßig den Vorwurf machen lassen, sie würden die Alternativen nicht ernst nehmen.

Nun haben sie selbst das Gegenteil bewiesen, indem sich die Grünen für das Genossenschaftsmodell des Bauvereins ausgesprochen haben. Allerdings wäre das Genossenschaftsmodell fraglich geblieben und wäre es auch im nächsten Anlauf, z.B. 2009, solange man am Bieterverfahren festhält. Das Risiko, dass man schließlich doch an einen Bieter verkaufen muss, an den man gar nicht verkaufen will - weil dieser Bieter alle Bedingungen erfüllen will und einen zu guten Preis bietet, ist einfach zu hoch. Im Bieterverfahren darf die Stadt nicht aus Sympathie an eine Genossenschaft verkaufen, wenn andere Bieter deutlich mehr bezahlen würden. Über ein umfassendes Gutachten allerdings kann der Verkauf an den gewünschten Käufer abgesichert werden.

Nicht nur die Grüne Partei, auch die CDU, beide großen Parteien in Freiburg haben sich weit vom Willen vieler ihrer Wähler entfernt, denen nicht nur Wohnen, sondern auch Mitsprache viel bedeutet. Und denen das Vertrauen in die Politik fehlt. Den Akteuren dieser beiden Parteien verständlich zu machen, wo andere Gründe liegen im Gelingen des Bürgerentscheids als in der komplizierten Fragestellung, in Emotionalisierungen und Opportunismus, ist eine wichtige Aufgabe für eine andere politische Kultur in Freiburg.

CDU und Linke Liste sind sich in ihren Positionen am ehesten treu geblieben. Die SPD in Freiburg allerdings hat in den Jahren, in denen sie selbst den OB stellten, im Kleinen nicht anders verhalten, als es Grüne und CDU nun versucht haben. Es wurde eifrig privatisiert, es wurde über die Verhältnisse gelebt und das Quorum beim Bau des Konzerthauses, das nicht ganz so deutlich ausfiel, wurde ignoriert. Für die Parteien, die den politischen Auftrag zum Regieren haben, ändern sich doch zu leicht die Vorzeichen.





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