Bürgerentscheid

Am 12. November 2006 war Bürgerentscheid. Die Bürgerinnen und Bürger Freiburgs hatten die Wahl:

Sind Sie dafür, dass die Stadt Freiburg Eigentümerin der Freiburger Stadtbau GmbH und der städtischen Wohnungen bleibt?



Das Ergebnis der Wahl ist weithin bekannt und findet bundesweit Beachtung. Doch die Bewertung dieser Entscheidung ist so verschieden wie die Positionen, die zu diesem Bürgerbegehren erst geführt haben. Dass es zu diesem Bürgerentscheid aber überhaupt gekommen war, ist nicht in erster Linie eine Errungenschaft direkter, bürgernaher Demokratie, sondern zeigt vielmehr die Schwäche der Freiburger Politik. Man hat es nicht geschafft, ein konstruktives Klima von Zusammenarbeit in schwierigen Zeiten zu schaffen, sondern - die Stadt ist gespalten.

Ein Zeugnis gelingender direkter Demokratie wäre der Bürgerentscheid, wenn die Verwaltung und der Gemeinderat eine gewichtige Entscheidung zu treffen hat - und das war hier ja der Fall! Wenn die verschiedensten Handlungsoptionen offen und fair dargestellt worden wären und es dann, wenn man zu keiner klaren Entscheidung gelangt, es schließlich der Bürgerschaft überlassen wird, wie sie sich entscheiden will. Dann könnte man sich für das Instrument des Bürgerbegehrens erwärmen, auch wenn der Ausgang dann immer noch Verlierer zurück lässt.

Im Falle des Stadtbauverkaufs war es jedoch anders: Die Verwaltungsspitze hat in der Misere der Stadtfinanzen die einfachste Variante aus dem Hut gezaubert, die sich finden ließ: Mit einem Schlag zwar die Schulden zu tilgen, aber zugleich auch einen gewichtigen Teil der Anlagen der Stadt auf den Markt zu tragen, mit allen Folgen und Risiken.

Den heftigen Widerstand in der Bevölkerung hat man großzügig ignoriert und sich indirekt darüber beklagt, dass die Bürgerschaft sich gut organisiert zeigte und mit relativer Leichtigkeit einen Bürgerentscheid in die Wege leitete. Rechtzeitig einlenken und einen umfassenderen Entscheidungsprozess anzustreben, war nicht im Sinne der Verwaltung, und auch der Gemeinderat trat hier nicht korrigierend ein.

Seither liefen die Bestrebungen weiter, den Verkauf durchzusetzen. Es war Wahlkampf. Eine offene, breit angelegte Auseinandersetzung und Entscheidungsfindung, wie es mit den Finanzen in Freiburg weiter geht, hat gefehlt. Die Positionen blieben hartnäckig bestehen. Gegenüber der Verkaufsgegner „Wohnen ist Menschenrecht“ hat die Initiative „Zukunft für Freiburg“ ihren Stand aufgemacht. Beide Seiten versuchten zu zeigen, dass sie die einzig soziale Variante vertreten. Viele waren verunsichert und irritiert. Daran ist nichts mehr zu ändern.

Allerdings dadurch, dass sich eine große und entscheidungskräftige Mehrheit der Wahlberechtigten für den Erhalt votiert hat, besteht die Chance, dass ein weitergehender Aushandlungsprozess stattfindet. Dieser Prozess hat gefehlt, und ob dieser Prozess nun nachgeholt wird, das wird sich erst zeigen.

Bessere Politik kann sich leicht dadurch auszeichnen, dass sie keine Bürgerentscheide braucht, sondern von Beginn an die verschiedensten Positionen wahrnimmt - und ernst nimmt!



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